1933-1945 – Unterdrückung und Verfolgung der Sozialdemokraten in der Naziherrschaft

Auch unter der Naziherrschaft blieben die Halberstädter Sozialdemokraten nicht untätig. Die aktivsten von ihnen, wie die beiden Freunde Erich Bordach und Otto Bollmann schlossen sich dem „Widerstandskreis Mitteldeutschland“, der u.a. die Orte Halle, Bitterfeld und Eisleben umfaßte, an.
Die SPD-Genossen wurden von der Gestapo beschattet. In Bollmanns Gaststätte hielten sich öfter fremde Gestalten auf. Erich Bordach berichtete über diese Zeit wie folgt:
„Die wenigen Parteinachrichten, die uns 1935 erreichten, berichteten von Verhaftungen, Folterungen und Ermordungen vieler bekannter Genossen m Reich. Minna Bollmann, die im Sommer eine frühere Landtagsabgeordnete in Berlin besucht hatte, erfuhr … Einzelheiten über Morde an führenden Genossen… und kehrte erschüttert und voller Gram zurück. Seitdem litt sie unter starken Depressionen.“
Als Minna Bollmann von einem ihr wohlgesinnten Polizeiangehörigen, dem früheren Mitglied des Arbeitersängerbundes Theodor Schiller, von einer drohenden Verhaftung unterrichtet wurde, wählte sie in der Nacht vom 08. zum 09.12.1935 den Freitod, um den drohenden Folterungen durch die Schergen Hitlers zu entgehen. Alle Adressen ihrer Freunde und Mitstreiter hatte sie vorher verbrannt.
Trotz der Illegalität und Verfolgung  waren hunderte treuer Genossen und Freunde zur Trauerfeier erschienen. Erich Bordach hielt die vorher von der Gestapo zensierte Grabrede, in der das große Engagement von Minna Bollmann für die sozial Schwachen gewürdigt wurde. Diese Trauerfeier war die letzte große Demonstration in Halberstadt dafür, daß der Widerstand in den Massen lebte und nicht auszurotten war. Doch die Verfolgung der Halberstädter Sozialdemokraten ging weiter. Am 08. Januar 1936 wurden Erich Bordach und seine Freunde des sozialdemokratischen Widerstandes in Halberstadt verhaftet. Nach einem schon vorausbestimmten Prozeß, bei dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen war,
ergingen gegen die 11 Angeklagten folgende Urteile:
  • Erich Bordach       3    Jahre Zuchthaus, 5 Jahre Ehrverlust
  • Friedel Bordach    1,5           „               , 3         „
  • Otto Bollmann       1,5           „               , 3         „
  • Kurt Ibe                  1,5           „                ,3         „
  • Lenchen Ibe           1              „
  • Alfred Scharschmidt  1,25         „                , 2        „
  • Martin Claus              9 Monate Gefängnis
  • Walter Pietsch           6             „
  • Amandus Engler        Freispruch
  • Marie Engler                      „
  • Elfriede Claus                    „

Die Untersuchungshaft wurde allen angerechnet. Nach ihrer Haftverbüßung wurden Erich Bordach und Otto Bollmann in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingesperrt. Nach 6 Jahren KZ wurde Otto Bollmann nach Halberstadt entlassen, während Erich Bordach dem Strafbatallion 999 zugeteilt wurde.
Das waren die Opfer Halberstädter Sozialdemokraten gegen die Naziherrschaft.
Die in der Heimat verbliebenen Genossinnen und Genossen und Sympathisanten arbeiteten meist als Dienstverpflichtete in der Rüstungsindustrie und verkehrten freundschaftlich unter dem Deckmantel der Kleingartenvereine. Bei ihren Zusammenkünften lagen immer zur Tarnung Gemüseanbaupläne auf dem Tisch. Den Bombenkrieg vor Augen verabschiedeten sie sich immer mit dem Gruß „Bleib übrig!“.
An einem Aprilsonntag des Jahres 1942 hatte die Stadtverwaltung im Verein mit der NSDAP-Kreisleitung wieder einmal zu einem Vormittags-Arbeitseinsatz dieses Mal zum Ausheben von Feuerlöschteichen aufgerufen. Bei diesem Einsatz traf Karl Dilßner den Tischlermeister Walter Peukert, der ihn in die „Gruppe GS“ (Sozialdemokratische Gemeinschaft) einführte. Zu diesen sozialdemokratischen Gesinnungsgenossen zählten auch der Postangestellte Richard Gerloff, der Tischlermeister Otto Geinitz, der Kraftpostfahrer Edmund Fransewitz, der Handschuhmacher Karl Eitner, der Stukkateur Paul Wille und auch der Schriftsetzer Willibald Kießling. Dieser Kreis „GS“ blieb zusammen, ohne aktive antifaschistische Tätigkeit zu leisten, denn die Hoffnung auf einen demokratischen Neuanfang nach der unvermeidlichen Niederlage der faschistischen deutschen Wehrmacht war das Ziel dieses Kreises. Endlich war es soweit. Die Nachricht, wonach Spitzen der amerikanischen Panzer in Goslar angelangt seien, wurde freudig begrüßt. Aber der unnötige Bombenangriff amerikanischer Fliegerverbände auf unsere mit Flüchtlingen überfüllte mittelalterliche Stadt brachte für die Halberstädter Bevölkerung Tod und Verderben!

Drei Tage danach trafen die ersten amerikanischen Panzer in Halberstadt ein. Viele weiße Fahnen hingen aus den Fenster. Die braune Clique hatte sich ohne Widerstand verdrückt.
Freude herrschte bei allen friedliebenden Menschen. Besonders aber bei den sozialdemokratischen Genossen, die sofort mit dem Aufbau besonders des Versorgungswesens in der Stadt begannen. Es gab erste Kontakte mit den Kommunisten, die aber von dem Großteil der Bevölkerung abgelehnt wurden.