Es ging heiß her, als die SPD am vergangenen Donnerstag zum Stadtgespräch in den Bibliothekskeller am Grudenberg geladen hatte. Thema war die Jugendarbeit in Halberstadt.
Viele Vorschläge kamen aus dem Publikum. Meist von älteren Mitbürgern, denn nur wenige Jugendliche hatten sich eingefunden, um mitzureden. Und zu besprechen gab es vieles. Es fehle an allem, wurde festgestellt. Geld, Engagement und Platz für die Jugendlichen. Statt dessen habe man andere Dinge zu bieten, hieß es aus dem Publikum. Mitnahme-Mentalität und mangelnde Bereitschaft, auch etwas unentgeltlich zu tun, seien die größten Probleme, an denen die Vereine und Einrichtungen in der Kreisstadt zu leiden hätten. „Was wir dringend brauchen, sind Farbeimer“, erklärte dann ganz pragmatisch Mike Tangermann. Seit Eröffnung der Zora arbeitet der junge Mann in der Einrichtung und was ihm auffiel, könnte meist auch ohne viel Geld behoben werden. „Wir brauchen schlicht und einfach Sachspenden, damit wir den Jugendlichen wenigstens eine tadellose Einrichtung bieten können“, sagte er weiter. Zustimmung aus dem Publikum gab es für diese Feststellung: „Wenn es etwas kostenlos gibt, dann sind die Leute gern bereit, die Veranstaltungen mitzumachen, aber sich selbst einbringen, das wollen die wenigsten“, hieß es aus dem Publikum.
In Halberstadt sei ein gravierendes Problem. So erzählte Rosemarie Lauenstein von ihren Erlebnissen mit Jugendlichen, die abends auf der Straße sitzen, weil es keinen Ort gibt, den sie aufsuchen könnten. „Da bleibt immer so viel Müll liegen, wenn die sich abends treffen“, bemerkte die Renterin. „Warum kann man denn nicht die alten Turnhallen oder gar das Klubhaus wieder eröffnen?“, fragte ein älterer Zuhörer. „Dort könnten die Jugendlichen wenigstens zusammen sitzen und müssten nicht auf der Straße bleiben.“ Peter Fichtner von der Stadtverwaltung, Leiter des Teilbereichs für Kulturund Sport, sagte zu diesem Vorschlag: „Machen wir uns doch nichts vor. Die Harzturnhalle und die alte Gleimturnhalle werden nur noch von Metallpfeilern vom Auseinanderfallen abgehalten. Und das Klubhaus gehört der Bank, nachdem sich ein Investor daran übernommen hat. Das können wir nicht mehr wiederbeleben.“Außerdem sei in Halberstadt Platz genug, sagte Fichtner weiter. In der Stadt gäbe es genug Räumlichkeiten, die in der Woche ungenutzt bleiben. „Die Nachfrage ist einfach nicht so groß, dass wir die Kapazitäten voll auslasten können“, erklärte er weiter. Stefan Bosse vom Jugendparlament formulierte den wohl über-raschendsten Kommentar des Abends. Als er über die Jugendarbeit sprach, zählte er über 30 Vereine auf, die in Halberstadt den Jugendlichen Freizeitangebote machen. „Für uns war das eine ziemliche Überraschung“, sagte er, nachdem er seine Liste vorgelesen hatte. „Das Problem ist, dass einfach kaum jemand weiß, dass es diese Möglichkeiten gibt.“ Kaum jemand kennt die Angebote der Gruppen „Das stimmt“, sagte eine Studentin der Hochschule Harz. „Ich bin erst seit wenigen Monaten hier, aber ich weiß immer noch nicht, was man in Halberstadt machen kann.“ Wer einen Blick auf Halberstadts Homepage wirft, findet nur das Kino und das Sportland. „Etwas anderes wird dort einfach nicht erwähnt. Und wer die wenigen Angebote wahrnehmen will, weil er zum Beispiel ins Café Canapé gehen möchte, kommt dort oft nicht rein, weil es überfüllt ist.“ „So schlecht steht es um das Angebot in Halberstadt gar nicht“, erklärte Gerhard Miesterfeld von der SPD. „Halberstadt bietet genauso viel wie andere Städte der gleichen Größe. Und die Probleme um Gelder gibt es dort ebenfalls.“ Bernd Moczko von der Kreisjugendpflege stimmte dem zu. „Sicherlich hat es in den letzten vier bis fünf Jahren Einbrüche bei den Angeboten und der Jugendarbeit gegeben, aber ein großes Problem sind auch die Ängste und Vorurteile, die gegenüber etablierten Einrichtungenbestehen.“ Bei zahlreichen Projekten gäbe es Bedenken, sie etwa in der Zora zu veranstalten. „Wenn die Jugendlichen erstmal dort gewesen sind, dann sind sie begeistert und gehen auch öfter hin“, sagte er. Alle Beteiligten, Publikum und Podiumsmitglieder, stelltenabschließend fest, dass das Problem der Kommunikation gelöst werden müsste. Mehr Öffentlichkeitsarbeit und mehr Mundpropaganda sind wichtig, um Vereine und Gruppen, die es bereits gibt, bekannt zu machen. Gegen finanzielle Probleme werde man aber kaum etwas machen können. Die Stadt fördert die Vereinsarbeit mit 556 000 Euro im Jahr. „Auch wenn die Gelder knapper werden, so wird die Vereinsförderung immer an erster Stelle stehen“, erklärte Peter Fichtner. Abschließend beschlossen die Teilnehmer, sich zu Gesprächen zu treffen, um über eine bessere Zusammenarbeit zu beraten. Das Publikum war am Ende des Gesprächs optimistisch. So sagte der 17-jährige Andreas Göppfarth: „Es ist wichtig, dass man besser zusammenarbeitet, daher ist der Abend positiv verlaufen.“ „Sicherlich war der Abend gut, aber vielleicht solle man eher mit den Jugendlichen reden als über sie“, sagte Harald Schiller, Direktor des Gymnasiums Martineum. „Ich kam gar nicht zu Wort, die meisten Argumente wurden von älteren Mitbürgern gebracht und das ist schon schade– bei einem Gespräch über Jugend“, beklagte Andreas Schreiber. Der Schüler wurde bei seinen Meldungen regelmäßig übersehen.