Mit einer packenden und inhaltsreichen Rede auf dem SPD-Bundesparteitag hat sich Sigmar Gabriel um den Parteivorsitz beworben. Der Jagd nach Zustimmung in der so genannten politischen Mitte erteilte er eine Absage. Es gehe vielmehr um die Deutungshoheit.
Obwohl die heutige Zeit “nach sozialdemokratischen Antworten schreit”, habe die SPD “eine historische Niederlage” erlitten, stellte Gabriel in seiner Rede vor seiner Wahl zum Parteivorsitzenden fest. Und “wer ein derartiges Wahlergebnis bekommt, der hat mehr als nur ein Kommunikationsproblem.”
Die Mitte zurückerobern
Als zentralen Fehler der SPD in den vergangenen Jahren bezeichnete Gabriel die Jagd nach der so genannten politischen Mitte. Die Partei sei in der Frage einem Missverständnis erlegen. Sie habe die “politische Mitte” für einen festen Ort gehalten, der sich unter anderem nach Einkommens- oder Berufsgruppen oder politischen Einstellungen orientiert, denen man sich anzupassen habe. Dabei sei die Mitte ein “Deutungsort der Gesellschaft”, so Gabriel. “Wer die richtigen Fragen, und die richtigen Antworten bereithält. Der steht in der Mitte der Gesellschaft. Man muss diese Deutungshoheit erobern, von links”.
Seit dem Fall der Mauer sei es den Marktradikalen mehr und mehr gelungen, die Mitte für sich zu reklamieren, erklärte Gabriel. Die SPD habe sich “schrittweise dieser Deutungshoheit angepasst”. Und damit auch Politikkonzepte verfolgt, “die unsere Wählerschaft in ihrem Bedürfnis nach sozialer Sicherheit verletzt haben und Abstiegsängste ausgelöst haben”. Daraus müsse die SPD die Lehre ziehen, dass sie sich nie “anderer Leute Deutungshoheit anpassen darf, sondern dass wir immer um unsere Deutungshoheit kämpfen”.
Es gehe darum, mit den eigenen politischen Ziele die Mehrheit im Land zu überzeugen. Dann stehe die SPD in der Mitte der Gesellschaft.
Die Partei als Politikwerkstatt
Auch in der SPD selbst will Gabriel die Kommunikation verbessern, um den Sachverstand aus allen Teilen der Partei zu nutzen. Dafür schlug er in seiner Rede beispielsweise jährlich tagende Arbeitsparteitage vor, auf denen ausschließlich über Politik diskutiert wird, oder auch Urwahlen, bei denen alle Mitglieder zu konkreten Themen befragt werden. Mit SPD-Kommunalpolitikerinnen und -politikern in einem neu einzurichtenden Gremium beim Parteivorstand regelmäßig beraten.