Von Renate Petrahn ( Volksstimme )
Halberstadt l Die vierte Auflage von “all together now” in Halberstadt ist auf riesengroßen Zuspruch gestoßen. So viele Flüchtlinge aus der Zentralen Anlaufstelle ZASt wie noch nie waren der Einladung gefolgt. “Ich sehe sonst die ganze Woche, was die Landesregierung für die Flüchtlinge tut, aber hier sehe ich, dass es mehr braucht als nur die Breitstellung von finanziellen Mitteln”, sagte am Sonnabend Jörg Felgner (SPD), Staatssekretär im Finanzministerium Sachsen-Anhalt, am Rande von “All together now”.
Beitrag zur Willkommenskultur
Ein Beispiel dafür, was mehr getan werden kann, ist die Veranstaltungsreihe “All together now” – jetzt alle zusammen. Sie findet seit April am letzten Sonnabend des Monats statt und wird von der evangelisch reformierten Gemeinde zu Liebfrauen Halberstadt und dem Kirchenkreis Halberstadt sowie engagierten Bürgern – gläubigen und konfessionslosen – getragen. Ihr Ziel: über die musikalische Begegnung Flüchtlinge und Halberstädter zusammenzubringen und “aktiv zu unserer Willkommenskultur beizutragen”.
Bei der vierten Veranstaltung am Sonnabend notierte Reinhard Beck eine besonders hohe Zahl von Heimatlosen. “So viele Menschen wie heute waren noch nie hier”, sagte der Pfarrer in Ruhestand, der für die Organisation der Veranstaltung zuständig ist. Allein drei Busse seien aus der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) gekommen, in der Vergangenheit sei es nur einer gewesen. Im Kirchenschiff der Liebfrauengemeinde wurden die Flüchtlinge begrüßt.
Sängerin und Gitarristin Jennifer Fulton begeisterte mit ihrer warmen Stimme die Anwesenden. Und da sie ihre Lieder auf Englisch sang, konnte sie die Anwesenden ganz direkt ins Programm einbeziehen. Als der Funke übergesprungen war, klatschten und wippten alle im Takt der Musik mit. Insbesondere die kleine Remar aus Syrien zeigte sich von den Gospels begeistert. Sie sprang sofort aus ihrer Reihe, stellte sich neben Jennifer Fulton und tanzte zur Musik der Quedlinburgerin.
Willkommen in Halberstadt
Pfarrer Friedrich Wegner, der diesmal die Begegnung moderierte, lud mit seinen Worten die Heimatlosen zur meditativen Rückbesinnung auf ihre Emotionen bei ihrer Flucht aus ihren Heimatländern bis hin zur Ankunft in Halberstadt ein: “Willkommen sagen die Menschen und sagt auch Gott. Sei bei mir zu Gast und bleibe, wenn du willst.” Einen Willkommensgruß, den Dolmetscher ins Englische, Französische und Arabische übertrugen.
Im Anschluss an den musikalischen Empfang begeisterten im Innenhof der Liebfrauenkirche die Brüder Bussenius und Aurel Nazarel mit ihren drei Gelbhaubenkakadus und zwei Aras die Gäste – ganz gleich ob groß oder klein. Um die Aktion und ihr Anliegen zu unterstützen, traten sie auch bei dieser Auflage kostenfrei auf.
Papageien brechen das Eis
Nach der dynamischen und lustigen Papageienshow war das Eis definitiv gebrochen. 30 Helfer, Mitglieder der Liebfrauengemeinde und Unterstützer aus dem Kirchenkreis, luden im Anschluss zu Obst, Gebäck und Schnittchen sowie zu Getränken ein, an langen Tafeln im Kreuzgang sorgsam aufgebaut. Mit Musik und Tanz aus ihrer Heimat machten die Gäste deutlich, dass sie sich an diesem Nachmittag sehr wohl fühlten.
Ein besseres Zeichen für das Motto der Veranstaltung “all together now” als den gemeinsamen Tanz zwischen den Gästen und ihren Gastgebern kann es wohl nicht geben.
So verging der Nachmittag wie im Fluge. Gerhard Miesterfeldt, SPD-Landtagsabgeordneter und Vizepräsident des Landtages von Sachsen-Anhalt, brachte auf den Punkt, was die Menschen nach diesem Nachmittag dachten und fühlten: “Ich finde es einfach gut, dass die Gemeinde sich dieser Aufgabe stellt.”
Hilfsbereite Frauen und Männer sorgten später mit Autos für den Rücktransport der Gäste in ihre rund sechs Kilometer entfernte Unterkunft. Und es ist nicht nur Miesterfeldt´s Meinung, dass die Zuwanderungspolitik die zukünftige Herausforderung für die Menschen in Mitteleuropa und in Deutschland sein wird. Mit “all together now”, eingebettet in ein Netzwerk von weiteren Projekten im Rahmen der Willkommenskultur, wollen und werden sich die reformierte Gemeinde, der Kirchenkreis Halberstadt und engagierte Bürger diesen Herausforderungen stellen, wurde an diesem Nachmittag mehrfach unterstrichen. So finden weitere Veranstaltungen von “all together now” am 29. August und 28. September statt.
Superintendentin Angelika Zädow: “Ich denke, Veranstaltungen wie diese, tragen dazu bei, dass unsere weit entwickelte Gesellschaft ein deutliches Gegengewicht setzen kann zu den etwas verwirrten und dummen Angriffen auf die provisorischen Notunterkünfte.”
Text: Renate Petrahn ( Volksstimme )
Fotos Peter Marx