Halberstadt Er sei diesmal als Hörender und Aufnehmender unterwegs, sagt Reiner Haseloff. Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts steht in Begleitung seiner Frau Gabriele und eines Mitarbeiters im Garten der Moses-Mendelssohn-Akademie, als er das sagt. Im Grün des Gartens empfangen ihn Mitglieder des Kuratoriums der Moses-Mendelssohn-Stiftung. Neben dessen Vorsitzenden Klaus Faber ist Charlotte Knobloch aus München angereist und Prof. Julius Schoeps aus Berlin, Roland Hinkel, der im Aufrag des Oberbürgermeisters die Stadt Halberstadt in der Stiftung vertritt, reiste aus Leipzig an.
Jutta Dick, Direktorin der Moses-Mendelssohn-Akademie (MMA), hat die schwierige Aufgabe, in knapp 90 Minuten die vielschichtige Einrichtung vorzustellen. Doch schon in der Bibliothek des Hauses wird klar, das wird nicht einfach. Die Informationen zur Geschichte des Hauses oder die über eine im Dach versteckte Konstruktion für eine Laubhütte hat der CDU-Politiker interessiert verfolgt. In der Bibliothek wird dieses Interesse noch einmal verstärkt. Haseloff liest selbst viel und gern. Aufmerksam betrachtet er die Buchrücken in den vielen Regalen, die in mehreren Räumen an den Wänden stehen. Mit Mirjana Stancic unterhält er sich angeregt. Die Wissenschaftlerin von der Uni in Bochum erschließt gerade den literarischen Nachlass des in Tschechien geborenen Autors Thomas Mandl, der an die MMA gegangen ist.
Bei seinem Rundgang erfährt Haseloff, warum Halberstadt in der jüdischen Welt so bekannt ist. „In Israel sind mir viele ehemalige Halberstädter begegnet, die in dem Land eine wichtige Rolle spielen und immer wieder fiel der Name der Stadt“, berichtet Haseloff. Und da er Edwina Koch-Kupfer von der CDU-Landtagsfraktion ohnehin versprochen hatte, mal Halberstadt zu besuchen, wollte er nun beides verbinden. Womit er auch einer Bitte von SPD-Landtagsabgeordnetem und Landtags-Vizepräsident Gerhard Miesterfeldt nachkam. Letzterer ist auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Sachsen-Anhalts und der Arbeit der MMA seit Jahren eng verbunden. Dass Halberstadt in der jüdischen Welt so bekannt ist, hat unter anderem mit der Klaussynagoge zu tun, an der viele Generationen von Rabbinern ausgebildet wurden, darunter einige, die große Berühmtheit erlangten. Aber auch mit der Familie Hirsch, die hier ein weltweit agierendes Metallunternehmen gründete.
Im Berend-Lehmann-Museum begegnet Haseloff Brigitte Radtke. Seit Jahren kämpft sie sich durch Berge von Akten und erfasst deren Inhalt für das Internet. Diese Digitalisierung ist ein wichtiges Hilfsmittel für zukünftige Forschungen zur Geschichte der Halberstädter jüdischen Gemeinde. An diesem Punkt formulierte Jutta Dick eine Bitte an den Ministerpräsidenten. Im Staatsarchiv Jerusalem liegen die gesamten Akten der jüdischen Gemeinde Halberstadts vom Mittelalter bis 1934. Immerhin 250•000 Blatt Akten. Um diese vor Ort digitalisieren zu lassen, bedürfe es rund 20•000 Euro. Haseloff dazu: „Das kriegen wir hin.“ Auch ohne ge sonderte Etat-Entscheidung. „Es ist ein wichtiges Anliegen, auch für die Erforschung der Landesgeschichte, diese einzigartigen Dokumente zugänglich zu machen. Wir werden eine Lösung finden.“