Halberstädter Tageblatt vom 17.11.2014
Aufbruchstimmung und völlig neues Lebensgefühl
Von Theo Weisenburger
Halberstadt l Unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Zielen waren es, die 1989 auf die Straße gingen, sagt der Halberstädter SPD-Landtagsabgeordnete Gerhard Miesterfeldt. Doch einige von ihnen einte in den Wendemonaten ein gemeinsames Ziel: die Wiederbelebung der Sozialdemokratie in der damals noch existierenden DDR. Zum Mauerfall-Jubiläum ehrte die Harz-SPD jene Menschen, die bei den Neugründungen der einzelnen Ortsvereine von Anfang an dabei waren.
Rüdiger Fikentscher, der erste Vorsitzende der Sozialdemokraten nach ihrer Wiedergründung in Sachsen-Anhalt, sprach von einer beispiellosen Gründungswelle, die nach der SDP-Gründung am 7. Oktober in Schwante und vor allem nach dem Mauerfall über das Land gerollt sei. Viele wollten beim Neuaufbau dabei sein, viele wollten der Partei Willy Brandts und Helmut Schmidts angehören.
Es war ein völlig neues Lebensgefühl, berichtete Fikentscher, und sprach von einem bis dahin ungekannten Maß an Redefreiheit und einer unbeschreiblichen Aufbruchstimmung. Er erinnerte an die Halberstädter Sozialdemokraten, die sich in der Tradition von Minna und Otto Bollmann sahen, aber auch an die zunächst gescheiterte Gründung der Quedlinburger SPD im Dezember. Dort gab es keine Einigung über den Umgang mit dem damals beherrschenden Thema, der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten.
Die kam am Ende doch, ebenso natürlich die Gründung der Quedlinburger SPD. Was nicht kam, waren die erhofften Wahlsiege für die Sozialdemokraten. SPD-Mann Fikentscher sieht einen Grund dafür in der anfänglichen Zurückhaltung der West-SPD. Wohl aus übertriebener Rücksicht auf die Eigenständigkeit der ostdeutschen Sozialdemokraten gab es keine groß angelegte strategische Hilfe. Im Gegensatz zu den konservativen Parteien aus dem Westen, die die ehemaligen Blockparteien massiv unterstützten und ihnen so zum Sieg in Volkskammer- und Landtagswahlen verhalfen.